Pediatrische Medikamentendosierung: Gewichtsbasierte Berechnungen für sichere Kinderdosen

Pediatrische Medikamentendosierung: Gewichtsbasierte Berechnungen für sichere Kinderdosen Dez, 21 2025

Warum Gewicht statt Alter bei Kinderdosen zählt

Ein zwei Jahre altes Kind wiegt vielleicht 9 Kilogramm, ein anderes 15. Beide sind im gleichen Alter - aber ihre Körper verarbeiten Medikamente völlig unterschiedlich. Wenn Ärzte oder Eltern Dosen nur nach Alter bestimmen, riskieren sie eine Unterdosierung - das Medikament wirkt nicht - oder eine Überdosierung, die lebensgefährlich sein kann. Deshalb ist die Gewichtsbasierte Dosisberechnung heute der einzige sichere Standard. Nicht weil sie perfekt ist, sondern weil alles andere gefährlich ist.

Die Grundlage ist einfach: Medikamente werden in Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht (mg/kg) verordnet. Ein Kind mit 10 kg bekommt die doppelte Menge eines Kindes mit 5 kg - nicht weil es älter ist, sondern weil es mehr Gewicht hat. Das klingt logisch. Aber in der Praxis passieren Fehler, die schwerwiegende Folgen haben. Ein Fall aus dem Jahr 2021: Ein 15 kg schweres Kind erhielt zehnmal die richtige Dosis Amoxicillin, weil die Gewichtsangabe in Pfund nicht in Kilogramm umgerechnet wurde. Das Kind landete mit schweren Magen-Darm-Beschwerden im Krankenhaus. Solche Fehler sind nicht selten. Laut dem Institute for Safe Medication Practices (ISMP) entfallen 35 % aller Medikationsfehler bei Kindern auf falsche Dosisberechnungen - und 80 % davon passieren bei der Umrechnung von Pfund in Kilogramm.

Die drei Schritte jeder Gewichtsbasierten Dosisberechnung

Es gibt drei Schritte, die bei jeder Berechnung unbedingt befolgt werden müssen. Sie sind einfach, aber sie müssen perfekt ausgeführt werden.

  1. Genauiges Gewicht messen - Nicht schätzen. Nicht abfragen. Nicht vom Elternteil hören. Das Gewicht muss mit einer medizinischen Waage in Kilogramm erfasst werden. In den USA wird oft in Pfund gemessen - dann muss es umgerechnet werden. 1 kg = 2,2 lb. Keine Ausnahmen. Ein Kind mit 44 Pfund ist genau 20 kg. Nicht 22. Nicht 18. 20.
  2. Dosis berechnen - Die verordnete Dosis pro kg wird mit dem Gewicht multipliziert. Beispiel: Amoxicillin 80 mg/kg/Tag. Kind wiegt 15 kg. 80 × 15 = 1200 mg pro Tag. Diese Tagesdosis wird dann auf die Anzahl der Gaben pro Tag aufgeteilt. Wenn es zweimal täglich gegeben wird, sind das 600 mg pro Dosis.
  3. Volumen umrechnen - Die Dosis ist oft nicht in Tabletten, sondern in Flüssigkeit. Da muss man die Konzentration kennen. Ein Sirup hat 160 mg pro 5 ml. Ein anderer hat 500 mg pro 5 ml. Das ist kein Unterschied - das ist eine andere Medizin. Wenn die Dosis 600 mg beträgt und der Sirup 160 mg/5 ml hat, dann rechnet man: 600 ÷ 160 = 3,75. 3,75 × 5 ml = 18,75 ml. Das ist die Menge, die gespritzt oder geschluckt werden muss. Ein Fehler hier - ein Tropfen zu viel oder zu wenig - kann die Wirkung ruinieren.

Die meisten Fehler passieren nicht beim Rechnen. Sie passieren, weil jemand die Einheit verwechselt. „mg/kg/d“ ist ein gefährlicher Abkürzung. Es bedeutet „Milligramm pro Kilogramm pro Tag“. Aber manche Ärzte meinen damit „pro Dosis“. Wenn ein Pflegepersonal das nicht merkt, gibt es die ganze Tagesdosis auf einmal - mit katastrophalen Folgen. Deshalb schreiben viele Kliniken heute explizit: „80 mg/kg/Tag, aufgeteilt in 2 Dosen“. Keine Abkürzungen. Keine Annahmen.

Warum BSA manchmal nötig ist - und wann nicht

Nicht alle Medikamente werden nach Gewicht berechnet. Bei Chemotherapeutika wie Vincristin oder bei bestimmten Antibiotika wird die Körperoberfläche (BSA) verwendet. Die BSA berücksichtigt nicht nur Gewicht, sondern auch die Körpergröße. Sie wird mit der Mosteller-Formel berechnet: √(Körpergröße in cm × Gewicht in kg ÷ 3600). Ein Kind mit 97 cm und 16,8 kg hat eine BSA von 0,67 m². Die Dosis wird dann in mg/m² verordnet.

Warum das? Weil Chemotherapeutika sehr eng wirken. Zu wenig - kein Erfolg. Zu viel - schwere Toxizität. Das Gewicht allein sagt nicht genug. Ein großes, dünnes Kind und ein kleines, kräftiges Kind mit gleichem Gewicht haben unterschiedliche Körperoberflächen. Die BSA ist präziser. Aber sie ist auch komplizierter. Deshalb wird sie nur bei Medikamenten mit sehr engem therapeutischem Fenster eingesetzt. Für die meisten Alltagsmedikamente - Paracetamol, Ibuprofen, Antibiotika - reicht das Gewicht völlig aus.

Clark’s Rule - eine alte Methode, die den Kindesdosis als Anteil des Erwachsenendosis berechnet (Kindergewicht in Pfund ÷ 150 × Erwachsenendosis) - ist heute veraltet. Sie ist ungenau, besonders bei Säuglingen und Jugendlichen. Sie wird in keiner modernen Klinik mehr verwendet.

Mutter hält zwei Flaschen mit unterschiedlichen Paracetamol-Konzentrationen und erkennt den Unterschied.

Die größten Fallen - und wie man sie vermeidet

Es gibt drei Fallen, die selbst erfahrene Pflegekräfte und Ärzte tappen.

  • Die Einheiten-Falle - Pfund statt Kilogramm. Oder mg/kg statt mg/kg/Tag. Das ist die häufigste Fehlerquelle. Lösung: Jedes Gewicht wird in zwei Feldern erfasst - Pfund und Kilogramm. Das System prüft automatisch, ob die Umrechnung stimmt.
  • Die Konzentrations-Falle - Ein Elternteil nimmt den „Kinder-Sirup“ und den „Säuglingssirup“ für das Gleiche. Aber der eine hat 160 mg/5 ml, der andere 500 mg/5 ml. Das ist ein dreifacher Unterschied. Wer das nicht checkt, gibt versehentlich 300 mg statt 100 mg. St. Louis Children’s Hospital berichtet, dass 65 % der Fehler von Eltern auf falsche Konzentrationen zurückgehen.
  • Die Alter-Falle - Einige Medikamente dürfen bei bestimmten Altersgruppen gar nicht gegeben werden - egal wie viel das Kind wiegt. Benadryl (Diphenhydramin) darf nicht bei Kindern unter 2 Jahren gegeben werden, es sei denn, ein Arzt sagt explizit ja. Das steht nicht in der Dosis-Tabelle. Das steht in den Warnhinweisen. Wer nur das Gewicht sieht, übersieht das.

Die Lösung? Doppelte Kontrolle. In jeder Klinik, die sich auf Kinder spezialisiert hat, wird jede Dosis von zwei Personen geprüft - eine berechnet, eine bestätigt. Bei hohen Risikomedikamenten wie Opioide oder Chemotherapeutika ist das Pflicht. In der Notaufnahme, im Krankenhaus, in der Onkologie - überall. Nur in der Hausarztpraxis oder zu Hause ist das oft nicht möglich. Deshalb ist es so wichtig, dass Eltern genau hinschauen.

Was Eltern wirklich wissen müssen

Die meisten Medikamentenfehler bei Kindern passieren nicht im Krankenhaus. Sie passieren zu Hause. Eltern versuchen, Dosen selbst zu berechnen - weil sie nicht warten wollen, weil sie Angst haben, dass das Kind nicht genug bekommt, oder weil der Arzt die Dosis nicht klar erklärt hat.

Was Sie tun müssen:

  • Das Gewicht Ihres Kindes in Kilogramm kennen - Wenn Sie es nicht wissen, fragen Sie die Apotheke oder den Kinderarzt. Nicht schätzen.
  • Die Konzentration des Sirups prüfen - Schauen Sie auf die Flasche. Steht da „160 mg/5 ml“ oder „500 mg/5 ml“? Das ist entscheidend. Schreiben Sie es auf.
  • Die Dosis pro Dosis verstehen - „80 mg/kg/Tag“ ist nicht die Dosis pro Schluck. Das ist die Tagesdosis. Wie oft pro Tag? Zweimal? Dreimal? Fragt nach.
  • Keine Abkürzungen akzeptieren - Wenn der Arzt schreibt „mg/kg/d“ - fragen Sie: „Meinen Sie pro Tag oder pro Dosis?“
  • Die Warnhinweise lesen - „Nicht für Kinder unter 2 Jahren“ - das steht nicht als Nebenwirkung. Das ist eine absolute Kontraindikation. Ignorieren Sie es nicht.

Wenn Sie unsicher sind - rufen Sie an. Nicht warten. Nicht raten. Die Apotheke oder die Kinderarztpraxis hat 10 Sekunden Zeit, um zu sagen: „Ja, das ist richtig“ oder „Nein, das ist zu viel“. Ein Anruf kann Ihr Kind retten.

Künstliche Intelligenz projiziert eine 3D-Körperoberflächenberechnung für ein Kind in einem futuristischen Krankenhaus.

Wie Technik die Dosisberechnung sicherer macht

Die Medizin hat gelernt. Heute gibt es in fast allen Krankenhäusern elektronische Systeme wie Epic oder Cerner, die automatisch die Dosis berechnen. Sie fragen: Gewicht in kg? Konzentration? Medikament? Und geben die Dosis in ml aus. Keine manuelle Rechnung. Keine Umrechnung. Kein Fehler.

Ein Studie aus dem Jahr 2023 in JAMA Pediatrics zeigte: Solche Systeme reduzieren Dosisfehler um 57 %. In einigen Kliniken werden Gewichtsangaben jetzt sogar doppelt erfasst - Pfund und Kilogramm - und das System prüft, ob 2,2 × kg = lb. Wenn nicht, gibt es eine Alarmmeldung.

Die Zukunft geht noch weiter. Kinderkrankenhäuser testen jetzt künstliche Intelligenz, die berechnete Dosen mit historischen Daten abgleicht. Wenn ein Kind mit 12 kg eine Dosis von 200 mg bekommt, aber alle anderen Kinder mit 12 kg nur 110 mg bekommen - dann warnt das System: „Achtung, Dosis abweichend.“ In Tests erreicht diese KI eine Genauigkeit von 92 %. Sie ersetzt nicht den Arzt. Sie schützt ihn.

Die wichtigste Regel: Dosis ist kein Rezept - sie ist eine Entscheidung

Ein Arzt gibt nicht einfach eine Zahl aus. Er oder sie denkt: Wie alt ist das Kind? Wie ist die Nieren- und Leberfunktion? Hat es Fieber? Ist es dehydriert? Nimmt es andere Medikamente? Bei Neugeborenen ist die Nierenfunktion nur 30-40 % so stark wie bei älteren Kindern. Das bedeutet: Eine Dosis, die für ein 1-jähriges Kind sicher ist, könnte für ein 3-wöchiges Baby tödlich sein.

Deshalb steht in allen Leitlinien: „Diese Dosen sind Richtwerte.“ Sie sind kein Gesetz. Sie sind ein Ausgangspunkt. Der Arzt muss die Dosis anpassen. Ein Kind mit Nierenproblemen braucht weniger. Ein Kind mit Fettleibigkeit braucht eine andere Berechnung. Ein Kind mit genetischen Veränderungen, die die Medikamentenverarbeitung beeinflussen, braucht eine andere Dosis - und das wird heute schon getestet. Die NIH hat gezeigt: Bei 40 % der Kinder gibt es genetische Varianten, die die Wirkung von Medikamenten verändern.

Das bedeutet: Die Gewichtsbasierte Dosis ist der sicherste Startpunkt. Aber sie ist nicht das Ende. Sie ist der erste Schritt - nicht die ganze Reise.

Wie rechne ich das Gewicht von Pfund in Kilogramm um?

Teilen Sie das Gewicht in Pfund durch 2,2. Beispiel: Ein Kind wiegt 44 Pfund. 44 ÷ 2,2 = 20 Kilogramm. Niemals durch 2 oder 2,5 teilen. 2,2 ist die einzige korrekte Zahl. Wenn Sie einen Taschenrechner verwenden, geben Sie 44 ÷ 2,2 ein - nicht 44 ÷ 2.

Warum gibt es verschiedene Konzentrationen von Paracetamol-Sirup?

Weil es verschiedene Zielgruppen gibt. Der „Säuglingssirup“ hat 160 mg pro 5 ml, der „Kindersirup“ hat 500 mg pro 5 ml. Der Unterschied ist nicht nur in der Farbe oder dem Geschmack - er ist in der Menge. Wer den falschen Sirup nimmt, gibt zehnmal zu viel Medikament. Deshalb: Immer die Konzentration auf der Flasche lesen - und mit der Rezeptur vergleichen.

Darf ich die Dosis halbieren, wenn das Kind krank ist?

Nein. Die Dosis ist nicht an das Wohlbefinden, sondern an das Gewicht gebunden. Ein krankes Kind braucht oft die gleiche Dosis - manchmal sogar mehr. Wenn Sie die Dosis reduzieren, weil das Kind nicht gut isst oder Fieber hat, riskieren Sie, dass das Medikament nicht wirkt. Fragen Sie immer den Arzt, bevor Sie etwas ändern.

Wann ist BSA besser als Gewicht?

Bei Chemotherapeutika wie Vincristin, Methotrexat oder bestimmten Antibiotika, die sehr eng wirken. Hier ist nicht nur das Gewicht wichtig - sondern auch die Körpergröße. Die Körperoberfläche (BSA) gibt eine genauere Vorhersage für die Medikamentenverteilung im Körper. Für die meisten Alltagsmedikamente wie Paracetamol oder Antibiotika reicht das Gewicht völlig aus.

Was mache ich, wenn ich unsicher bin, ob die Dosis stimmt?

Rufen Sie die Apotheke an. Oder die Kinderarztpraxis. Sagen Sie: „Ich habe die Dosis berechnet, aber ich bin unsicher. Kann ich sie bitte bestätigen?“ Die meisten Apotheker freuen sich, wenn Eltern nachfragen. Sie haben die Erfahrung, die Sie nicht haben. Ein Anruf dauert 30 Sekunden. Ein Fehler kann ein Leben verändern.